Münster. (OK) Sturm umtoste das graue Firmament. Jedoch sollten Züge fahren in Richtung Süden. Hamm, Unna oder Dortmund wurden als mögliche Ziele propagiert.
„Mit der Bahn kommen Sie auch durch schwierige Zeiten überall hin“, wirbt das von Hartmut Mehdorn und anderen Pleitegeiern ausgeplünderte Unternehmen. Ausgeplündert auf der Planungs- und Leitungsebene, vor allem aber auch beim Service.
Ankunft im Bahnhof Münster um 17.15 Uhr, zu Fuß. Schön ausgebaut. Moderne Fastfoodketten drin, aber auch Matjes und sogar ein Buchladen. Nur zwei Schnorrer nerven. „Ein, zwei Euro dringend, bitte.“ Lieber wäre mir ein Zug.
Dritte Welt Deutschland
Die Anzeigentafel sagt: „Der Zug nach Krefeld über Hamm um 16.34 Uhr hat 20 Minuten Verspätung“. Steht immer noch auf der Tafel, obwohl es schon viel später ist. Der Zug um 17.34 fällt aus. Das scheint schon bekannt.
Trotz der nicht ganz verständlichen Ankündigungstafel geht der Bahnreisende zum Gleis 3 und sieht dort einen Zug stehen, nämlich den RE 7 nach Krefeld von 16.34 Uhr. Er ist wirklich noch da und fährt auch nicht los. Es ist 17.27 Uhr.
Egal, hingesetzt in Vierer. Schön viel Platz, alle sind schön maskiert, wie es sich für Posträuber ala Ronald Biggs im RE 7 gehört. Es ist gemütlich, eine angenehme Atmosphäre herrscht. Und jetzt? Die Bahn hat ja die hervorragende Äpp. Da steht: Der 16.34 Zug hat nur 90 Minuten Verspätung. Das ist super, das würde ja heißen, er fährt schon um 18 Uhr sowienoch ab. Vielleicht. Wir bleiben hier sitzen.
Die neue Obstkurve Bilderstrecke informiert über stürmische Zeiten.
Die freundliche britische Schaffnerin kommt und freut sich: um 17.40 Uhr fährt ein Zug bis nach Mersch. „Da will doch keiner hin.“ Trotzdem steigen einige in den Zug nach Mersch. „Was will man in Mersch?“ „Besser als gar nix.“
„Wenn Sie nach Hamm wollen, können Sie auch nach Wanne-Eickel fahren. Von da fährt ein Zug nach Dortmund.“ Sagt sie.
Den Zug nach Wanne-Eickel lassen wir fahren. Weil wir denken, dass unser Zug um 18 Uhr fährt. Denn der 18.34er RE 7 nach Krefeld ist auch nur mit leichter Verspätung angekündigt. Also sitzen bleiben. Einige sitzen hier seit 16.20 Uhr. Es ist jetzt 17.45 Uhr. Der Zug fährt nicht los.
Das Leben in vollen Zügen genießen.
Dann folgt eine Durchsage: „Bitte nutzen Sie den Schienenersatzverkehr nach Hamm“, sagt der Lokführer. Die Strecke nach Hamm bleibt wohl längere Zeit gesperrt. „Da werden Busse zwischen Hamm und Münster pendeln“, versprach ihm die Bahn.
Laut Äpp liegt nämich ein Baumstamm auf dem Gleis an der Strecke, der liegen geblieben ist. Vielleicht wegen Sturm?
Es ist 18.05 Uhr. Auf Nachfrage sagt der Lokführer: „Die schicken jetzt so ne Art Räumfahrzeug über die Strecke. Das fährt mit 6 km/h. Das dauert von Münster nach Hamm und zurück.“ Lange.
Bis nach Hälifäx?
Also auf gehts zum Schienenersatzverkehr. Raus aus dem Bahnhof zum Busbahnhof vor dem Münsteranerer Hauptbahnhof. Aber von wo fährt er nur? Keine Hinweise. Nix. Es regnet und stürmt, schneit aber nicht.
Nach monatelangen Recherchen gelingt es einem gut hundertköpfigen Gestrandetentross die Haltestelle Schienenersatzverkehr in der Nähe vom Börger King zu entdecken. Nix wie hin. Es ist 18.25. Es regnet. Warten und nass werden. Der Zug um 18.34 Uhr fällt aus.
Die Äpp sagt, der Zug nach Krefeld/Hamm um 19.34 Uhr habe nur wenige Minuten Verspätung. Was tun? Warten auf den Bus, der muss ja jede Minute kommen. Der Bus kommt nicht.
Wir pendeln zwischen Bahnhof und Haltestelle hin und her. Sport. Man knüpft Kontakte, gute Gespräche, weil Bahnreisende von wenigen Ausnahmen abgesehen nette Menschen sind. Mal hier gucken, mal da nachsehen, ob ein Bus kommt und vielleicht ein Zug abfährt. Träumen von der Rückfahrt, von Daheim und unterwegs.
Dem glücklichen Bahnreisenden schlägt keine Stunde.
Doch kein Zug fährt und kein Bus kommt. Es ist 19.10. Es regnet, ist aber windig. Fast alle sind zurück im Bahnhof. Der RE 7 um 19.34 fällt aus. Dann die zündelnde Idee. Um 19.13 Uhr fährt ein Zug nach Wanne-Eickel. Auf zum Bahnhof. Dann kommen neueste Nachrichten: „Um 19.30 kommt der Bus.“ Egal. Es reicht. Wenn der Bus kommt, ist fast keiner mehr da.
Ab zum Zug nach Wanne-Eickel, obwohl es eigentlich schon fast zu spät ist. Der Zug hat eine Minute Verspätung. Drin. Ab nach Dortmund. Von Wanne Eickel gibt es um 20.04 einen Anschlusszug nach DO. Ankunft in der Wanne: 19.58. Planmäßig.
So geht das aber nicht. Die Reise führt über Bösensell, Haltern am See, Marl-Sinsen. Einfach schön. Der Zug stoppt auf freier Strecke, denn die Bahnplaner haben entschieden, dass ein hoffnungslos verspäteter IC (mindestens 90 Minuten) Vorfahrt hat und überholen darf. Dadurch verspätet sich der pünktliche Zug nach Wanne ausreichend viel, so dass der Anschluss nach Dortmund weg ist. Wenn schon die Fernreisenden zu spät kommen, dann die Nahverkehrer erst recht. Um 20.14 Uhr fährt aber von Wanne-Eickel eine S-Bahn nach Dortmund. Soll.
Umsteigen in Wanne. Über Herne und Castrop-Rauxel geht die Reise. Der Reisende will aber weiter nach Hamm. Dazu muss er nach Unna. Um 21.04 Uhr fährt eine Eurobahn von Dortmund nach Unna.
Die S-Bahn hält in Dorstfeld. Gegenüber steht die S 4 nach Unna. Egal, denkt der Reisende, nehme die Eurobahn um 21.04. Die S-Bahn nach Unna zuckelt los, dann auch die S 2 zum Hauptbahnhof. Dann die Äpp gecheckt. Die Eurobahn nach Unna um 21.04 fällt aus. Das konnte ja vorher keiner wissen.
Bevor Reisende auf die Gleise fallen – Obstkurve berichtete.
Von der Umsteigemöglichkeit in die S 4 in Dorstfeld hatte die Bahnäpp natürlich nichts gewusst.
Die S 2 kommt in Dortmund an. Die Eurobahn weg. Die nächste in einer Stunde. Jetzt umsteigen in die U-Bahn und vom Hauptbahnhof zum Stadthaus. Von da fährt um 21.19 Uhr eine S-Bahn nach Unna. Tatsächlich, fährt und kommt an. Von da aus kann man auch zu Fuß nach Hause gehen. Dauert nur eineinhalb Stunden.
Ankunft am Zielort: 22.15. Eigentliche Ankunftszeit war 18.30. Das sind ja nur knappe vier Stunden später. Kann mal passieren. Was wohl aus den anderen Reisenden mit dem Schienenersatzverkehr geworden ist? Die standen noch am Busbahnhof Münster.
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