Verliert Spiekeroog Punk-Gütesiegel?

Die Insel mit Seeblick auf Sonnenuntergang bleibt, noch. Wenn man den illegal vorgeholten Strandkorb von der letzten Fee wegzaubern ließ.

Spiekeroog. (OKSK) Die Dortmunder Punkbänd Katzenköter hatte auf Einladung der Inselrocker Shanty Killers im restlos ausverkauften Kino der schönsten Nordseeinsel der Welt gastiert (Obstkurve berichtete explosiv). Doch jetzt der Schock: Die Shanty Killers sind aus ihrem Proberaum auf der Insel rausgeflogen. Künftig müssen sie mit dem Schiff aufs Festland nach Ostfriesland reisen, wollen sie an ihren Gassenhauern, die eigentlich echte Ohrwürmer sind, feilen.

Doch damit nicht genug. Als Musiker der Katzenköter schon jetzt nach nur viereinhalb Wochen im Ruhrgebiet wie jedes Jahr wieder zurück zur Erholung an die Nordseeküste reisten, mussten sie einige weitere Nackenschläge kassieren. Der Mythos der Punk-Rock-Insel bröckelt.

Mord am Strandkorb

Sofort schnappten sie sich das Gastgeberverzeichnis, um künftige Reisen zu Schnäppchenpreisen zu planen. Schock-Nr. 2: Das Gastgeberverzeichnis 2024 ist unvollständig. Gelistet sind nur noch Unterkünfte, deren Inhaber „inserieren“. Alle anderen, meistens die besten und bezahlbaren, fehlen.

Aber das ist nicht alles. Dazumal 2019 hatten die Instrumentalisten von Katzenköter die absolute Kultpension „Fallen Anker“ besucht. Dort gab es eine Atmosphäre wie bei Inspetor Barnaby. Miss Marple und die anderen Gäste versammelten sich jeden Morgen bei bunten Servietten im gemütlichen Frühstücksraum. Brötchen mit Belag sollten mitgenommen werden, um das Mittagessen im teuren Restaurant zu sparen. Doch es kam, wie es kommen musste. Die betagten Inhaber verhökerten ihr Haus für Millionen.

Jetzt residiert in der Bauruine Fallen Anker die „Fallen Anker GmbH“, deren einziger Zweck es ist, das eigene Vermögen (Bilanzsumme 1,9 Millionen Euro) zu verwalten, wie Prof. Dr. Claudia Scholz von der Fernuni Rejkjavik für Obstkurve ermittelt hat.

Fallen Anker. 2019 wohnten hier Katzenköter. Seitdem Bauruine mit Löchern im Dach, aber Sitz der Fallen Anker GmbH.

Wildes Herz. Gerne wollten die Musiker der Punkbands und ihre Fäns in der lokalen Presse über ihr äußerst erfolgreiches Konzert im Inselkino lesen. Fehlanzeige. Weder der Anzeiger für das Harlinger Land noch der „Inselbote“, dessen Redaktion immerhin drei Meter neben dem Inselkino sitzt, berichteten über die wichtigsten Events auf der grünen Insel. Der so genannte Inselbote zensiert die Shanty Killers einfach. Als gäbe es die Bänd und ihre Fäns gar nicht. Kein Wunder, dass die Shanty Killers jetzt verstärkt auf dem Festland spielen wollen. Der einseitige Inselbote kommt Obstkurve jedenfalls nicht mehr ins Haus.

Ruhe, nichts als Ruhe

Die Shanty Killers. Bisher lautete ihr Erfolgsrezept: Einmal auf der Insel was hören, nämlich gute Musik. Viele Inselbewohner haben tatsächlich die Nase gestrichen voll von der quälenden Ruhe.  „Ruhe, nichts als Ruhe. Immer nur Wattwandern, Vögel zählen und Entspannung. Wir wollen auch mal auf die Pauke hauen“, so ein Insulaner, der aus Angst vor Repressalien durch die Ruheindustrie anonym bleiben muss.

Ruheterror: Von dieser Telefonzelle sprang einst Gitarrist Werner (Shanty Killers) ins Getümmel beim Dorffest. Jetzt Gurkenzucht.

Katzenköter hilft. „2025 sind wir bereit, den Shanty Killers Zuflucht in Dortmund zu gewähren.“ Ein Wochenende mit Auftritt im Ruhrgebiet sollte schon drin sein. Bis dahin müssen sie sich von den Entspannungsritualen an der Nordsee erholen, wo eine Hiobsbotschaft die nächste verjagt.

Werner, Maxie und Band spielen beim Spiekerooger Dorffest echten Yoga-Rock, zur Tarnung.

Der Feenwald (Obstkurve berichtete schon wieder explosiv) wurde geplündert von Banausen. Nur noch eine Fee ist übrig, wo sonst Dutzende Schabernack mit Touristen trieben. Die Shanty Killers tarnen sich, um noch auftreten zu können. Werner spielt jetzt auch Gitarre in der Inselbigband. Dort singt die Yogalehrerin Maxie Schlager und Oldies. Sie singt gut. Denn Yoga ist eine weitere Möglichkeit für Musiker, die Existenz auf der Insel zu sichern, denn dabei ist es nicht so laut wie beim Punk. Beim Dorffest durften die Shanty Killers dieses Mal nicht ran.

Nur noch eine Fee versteckt sich heimlich im Feenwald und passt auf Strandkorbschiebung auf.

Erschüttert war Katzenköter auch, als sie am letzten Tag ihrer Erholungsreise feststellen mussten, dass Strandauswüchse (Vergleiche ihr Lied „Hass“), wie man sie sonst nur auf Sylt kennt, auch auf Spiekeroog Einzug halten. Hinterwäldlerische Touristen schleppen ihre fehlgemieteten Strandkörbe heimlich von ganz hinten nach vorne, schieben dabei andere Strandkörbe an die Seite und anderen Menschen direkt vor die Nase, um ihren hinterletzten Strandkob wiederum uns bekannten Strandkorbmietern direkt vorzuschieben, die an ihrem letzten Abend den Sonnenuntergang genießen wollten. Sie kommen kurz vor Sonnenuntergang mit dem Fahrrad am Strandkorb an, und sehen: nichts. Der Mond ist aufgegangen.

Da gehen „Urlaubsgefühle“ schnell vorbei. Krieg und Hass am Spiekerooger Strand. Die Bänd überlegt, ihr Urlaubslied umzuschreiben, bevor sie nächstes Jahr auf die ehemalige Punk-Rock-Insel zurückkehren. Das Grundgesetz Spiekeroogs schreibt nämlich vor, dass man vor Strandkorbmietung die Nummern der vorne stehenden Körbe aufschreibt und einen freien mit Meerblick mietet. Banausen mieten einfach so, und schieben ihren Strandkorb anderen vor die Nase. Das ist nämlich streng verboten, wegen der Sturmflut. Ferien haben um diese Zeit nur noch Baden-Württemberger und Bayern. Diese Bergratten kennen sich nicht aus mit den Gezeiten.

Die Papierbootregatta bietet ruhegeplagten Menschen an der Nordsee eine seltene Gelegenheit, auf die Pauke zu haun.

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