Obstwasserwandern im Land der 3000 Seen

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Blick auf See mit Rad.

Rheinsberg/Fürstenberg. (OK) In Obstdeutschland wächst das Obst. Insbesondere in Brandenburg. Aber warum? Um das Geheimnis dieses im Westen nahezu unbekannt gebliebenen, dünn besiedelten, unzugänglichen und abgelegenen Landstriches zu enthüllen, fuhr die Redaktion ins Märkische Land. Genauer gesagt, in die Mark Brandenburg.
Die Wanderungen der Obstkurve durch das markige Brandenburg bieten Einblicke in eine unbekannte Welt. Heute die erste Folge: Eine kurze Revue über die Havelseenplatte.
Das öbstliche Bundesland ist sandig und liegt in zwei Bereichen ganz vorn: Beim Wassertourismus und bei rechtsextremer Gewalt. Wo ist das Risiko, Opfer rechter Gewalt zu werden, laut Statistik am größten? In Brandenburg, dem Land von Wald und Bär mit See.
Wirkt sich diese Statistik auf den Tourismus aus? Nein. In diesem Jahr erwartet Patrick Kastner von der Tourismusmarketing Brandenburg über 12 Millionen Übernachtungen. Seit 20 Jahren steigen die Übernachtungszahlen kontinuierlich an. Schon Theodor Fontane und Kurt Tucholsky waren mal vorbeigekommen und hatten sich in Brandenburg verliebt.
In welchem Bundesland befinden sich die meisten Seen? In Brandenburg. Mehr als 3000 Seen locken Fisch und Ente an. Obstkurve fand für die Fernuni Reykjavik heraus: Ente mag auch Apfel.

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Historische Ente besucht Schloss Rheinsberg.

Autokennzeichen verraten, wo die Gäste herkommen: aus Sachsen und Thüringen oder aus dem nahe gelegenen Berlin. Es wurden auch schon Hessen und andere Bundesbörger gesehen. Kieler haben die Nase voll vom Salzwasser und schwimmen lieber im Binnensee. Ausländische Gäste kommen überwiegend aus Schweden, Holland, Dänemark oder Luxemburg. Aber auch Afrikaner fahren mit dem Tretboot und geraten nicht in Seenot.
Wie kam es dazu? 1157 gründete Albrecht der Bär Brandenburg. Zuvor hatten hier fast 500 Jahre lang westslawische Stämme gelebt. Ortsnamen belegen das: Der Name Zechlin beispielsweise, wonach gleich drei Ortsteile Rheinsbergs benannt sind, stammt aus dem Slawischen: „Szichalyn“. Es bedeutet: Platz an zwei Seen, was bei den vielen Seen sehr stark untertrieben ist. Mittendrin liegt sogar der Zechlinsee. Heute erkennen immer mehr vernünftige Menschen, dass man den Sandstrand praktisch vor der eigenen Haustür finden kann. Noch dazu ohne Quallen. Wer’s unbedingt salzig mag, geht halt ins Siebte Sohle Bad.

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Szichalynsee mit Steak.

Die Auswahl der Zielorte im schönen Brandenburg war an sich sehr schwer gefallen, angesichts der Vielzahl der Idyllen, aber letztlich war sie ganz leicht. Nur zwei Orte kamen in die Tüte: Rheinsberg und Fürstenberg.
Völlig überraschend wurden diese beiden Orte ausgewählt. Berge sollten schon dabei sein. Vor allem aber waren Theodor Fontane und Kurt Tucholsky da. Sie liebten die Berge und die See. Da konnte man in deren Fußstapfen hineintreten. Sie sind zu sehen.
Rheinsberg ist einer der beliebtesten und auch schönsten Urlaubsorte in Brandenburg. Es liegt idyllisch inmitten von Wäldern und Seen, und das obwohl der See bei Rheinsberg Grienericksee heißt und der See oberhalb außerhalb des Ortes Rheinsberger See. Warum das so ist, weiß keiner. Im Effekt fahren manche Navigatoren wo anders hin. Was nicht stört. Dann sind noch Zimmer frei.

Börger mit Cheddar lecker

Getestet wurden Gaststätten und Lokale, Ruderboote, Fahrradverleiher, aber auch weitere Örtlichkeiten. Fazit: Rheinsberg überzeugt tadellos. Fast überall nette und humorvolle Menschen, servicebereit und auskunftsfreudig. Im Schlosshotel gibt es im Haus gemachte Börger. Charmante Kellnerinnen verwöhnten ihre Gäste mit köstlichsten Börgern zu absolut annehmbaren Preisen. Wahlweise wurde sogar Cheddar anstatt Gouda versiert. Hier ist der Kunde König. Kein Wunder, im Schlosshotel. Kleiner Minuspunkt: Das Radeberger Pils erschien verbesserungswürdig. Nach sieben Minuten war es etwas angewärmt.
Das war nicht der Fall im altehrwürdigen Ratskeller, auf den der Kronprinz immer blickte, wenn er hungrig im Schloss saß und sich nach einer warmen Mahlzeit sehnte. Hier war das Berliner Pils gut gekühlt, die Gerichte schmackhaft, einzig der Barsch nicht zu voller Würze gereift, während Bratkartoffeln und Salate einwandfrei mundeten.
Die Bratbarschbratkrönung lieferte den Testern die Fischerhütte im Flecken Zechlin. Hier brutzelten servierte Köche einen würzigen Bratbarsch, dazu einen frischen und knackigen Salat direkt mit frischem Flens am Ufer des Schwarzen Sees. Dorthin gelangt man über eine wunderbaren Radweg. Unterwegs lädt eine romantische Badestelle zur Abkühlung ein. Ein Steak bietet die Möglichkeit, von oben ins Wasser hineinzuspringen.

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Rheinsberg: Mal mit, mal ohne Pommes Frites.

Zurück im Ortskern von Rheinsberg. Es soll nicht verheimlicht werden, dass eine humorvolle brandenburgische original Kellnerin im preußischen Speiselokal „Zum Jungen Fritz“ ebenfalls sehr überzeugte. Sie schaffte es, einen skeptischen Autoren davon zu überzeugen, dass er nach der würzigen aber nicht zu scharfen Soljanka auch noch ein Förstersteak mit frischen Waldpilzen schaffen würde. Sie hatte absolut Recht. Einen weiteren Pluspunkt bekommt das Lokal fürs Bier aus lokaler Herstellung: „Kronprinzenpils“ wird bis heute in Rheinsberg gebraut. Der Name zwar ein Zungenbrecher, insbesondere später am Abend. Es ist etwas dunkler als das herkömmliche Pils, mit leicht süffigem Geschmack, aber löscht den Durst nach einer fünfstündigen Rudertour an der Rheinsberger Seenpalette komplett. Kleiner Minuspunkt beim zweiten Hauptgericht. Der Blumenkohl mit Kartoffeln und Spiegelei war leicht zerkocht und fiel beim Versuch, ihn auf die Schippe zu nehmen, regelrecht in sich zusammen. Aber das Spiegelei war einwandfrei.
Rudern ist nicht die einzige Möglichkeit, die schöne Gegend auszukundschaften. Radfahrer kommen auf stillgelegten Bahnstrecken voll auf ihre Kosten. Der Duft nach Kiefern, Wald und See entspannt die Seele und verzaubert das Herz. Badestellen sind zwar nicht offiziell verzeichnet, sind aber an den Seen einfach zu erkennen. Einfach reinspringen. Schon schwimmt der Fisch in die Badehose – oder in den Bikini, um dem Gender Mainstreaming Blüte zu verleihen.
Die Infrastruktur Rheinsbergs überzeugt durch das übersichtliche Wegenetz zu Land und auf dem Wasser. Zudem findet der Besucher  öffentliche und kostenfreie Toiletten in der Innenstadt, direkt am Wasser oder zu den Öffnungszeiten des Rathauses. Er muss nur mit der Beschilderung klarkommen, auch für die Tourist-Informationsstellen.

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Blick auf schöne Fassade aus Restaurant.

Das ausgetüftelte Straßennetz in Rheinsberg widerlegt gleichzeitig die Legende von den guten Straßen in Ostdeutschland (siehe Foto unten). In Fürstenberg (Havel) ist es genau umgekehrt. Hier sind die Straßen einwandfrei. Die Innenstadt, sogar der Schlossgarten dieser Residenzstadt, wird durch die B 96 als Nord-Südachse Ostdeutschlands brutal zerschnitten. Das Fürstenberger Schloss wurde an einen Investor verkauft, steht jedoch seit vielen Jahren leer. Während in Rheinsberg zwei große Hotelanlagen am Wasser die Einnahmequellen sprudeln lassen, sieht es in Fürstenberg in dieser Hinsicht eher trübe aus. Das Umland Fürstenbergs steht jedoch dem idyllischen Rheinsberg nicht nach.

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Rheinsberg hat die schönsten Straßen.

Gewisse Defizite bestehen in Fürstenberg jedoch beim Toilettenwesen. Sowohl die Tourist-Info als auch Mitarbeiter des Rathauses schicken Reisende in eine automatisierte, öffentliche Außentoilettenanlage mit Münzeinwurf. Noch vor dem Bezahlen halfen jedoch Jugendliche mit Rat zur Tat und zeigten, dass sich die Tür auch ohne Bezahlung problemlos öffnen und verschließen lässt.

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Bedürftige habens nicht immer leicht in Fürstenberg.

Großes Business erledigt der Gast besser im nahe gelegenen Cafe am Rathausplatz. Nicht ausgeschildert ist ein weiterer stiller Ort, den die Stadt Fürstenberg am Rastplatz für Wasserwanderer gebaut hat. Hier findet sich modernster Toilettenkomfort. Den Geheimtipp erhielten wir im Rathaus.
Fazit: Brandenburg ist die Reise wert. Guter Service, leckeres Essen, nette Menschen und schöne Landschaften. (Wird fortgesetzt mit Keramik und Schlössern)

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