Im Briefkasten liegt die Postkarte gut

Berlin. (OK) Wer eine Reise tut, hat was zu erzählen. Er schreibt es auf. Zum Beispiel auf eine Postkarte. Die Postkarte ist schön. Früher waren Postkarten ein beliebtes Kommunikationsorgan.

Die Frau ist jung. Sie hat eine Tasche voller Post. Wo geht sie hin?

„Liebe Elli, das Wetter ist schön, das Essen schmeckt gut, das Hotel ist groß, die Luft ist laut, das Wasser ist nass, die U-Bahn fährt warm. Viele Grüße aus Nah und Fern, Dein Willobert“ (Name geändert, Red.). Diese Postkarte kann er verschicken. Warum eigentlich nicht verschicken? Vielleicht freut sich Elli  über die lieben Grußzeilen. Elli ist die Empfängerin. Sie freut sich schon auf die Post.

Die Postkarte hat ein Foto. Sie hat einen Text, sogar eine Empfängeradresse. 45 Cent Porto kleben drauf. Das kann nicht schaden. Und jetzt ab die Post.

Berlin steht in voller Blüte. Es gibt viele Bäume.

Tatort Alexanderplatz. Kein Briefkasten zu sehen. Man kann ja mal fragen. Der Mann im Zeitungsladen sagt: „Da am Kino ist einer.“ Wo ist das Kino? Welches Kino? Da. Es gibt also eins, aber weit und breit ist kein Briefkasten zu sehen. Er liegt auch nicht auf dem Weg herum. Die Suche geht weiter.

Karl-Liebknecht-Straße. Kein Briefkasten zu sehen. Nachfrage in der Berlin-Apotheke an der Ecke. „Entschuldigung. Gibt es in der Nähe einen Briefkasten?“ Zwei entgeisterte Frauen gucken ihn an. Eine Apothekerin und eine Putzfrau.

„Was suchen Sie? Einen Briefkasten? Wo gibt’s denn sowas“, sagt die Apothekerin, die gerade eine duftende Tinktur zusammenbraut. Der potenzielle Postkunde in der Apotheke stutzt. Die Apothekerin: „Wir haben alles für Sie da: Schmerzmittel, Schlafmittel, Aufputschmittel, Putzmittel.“ Die Putzfrau sagt: „In Richtung Rosa-Luxemburg-Platz soll einer sein, linke Seite.“ Wo wohnt eigentlich Sahra Wagenknecht?

Berlin, weites Land, Straßenzüge voller Autos.

Die Suche geht weiter. Endlose Straßenzüge öden sich an. Ein Anwohner naht. Immer dieselben Fragen. Er so: „Ein Briefkasten? Au.“ Der Autor läuft weiter, immer weiter Richtung Rosa Luxemburg. Der Weg ist weit, die Straßen lang. Dutzende von Kilometern reihen sich aneinander. Plötzlich erscheint ein fremdartiges Gebilde auf der rechten Seite des Bürgersteigs links. Kein Mensch weiß, was es ist.

Was kann das sein? Ein ehemaliger Zigarettenautomat? Eine Kondommaschine?

Trari trara die Post ist da. Bei näherem Hinsehen (30 cm) entpuppt es sich als Doppelbriefkasten. Er trägt wenig gelb. Niemand erkennt ihn. Keiner weiß von seiner Existenz. Der Autor warf die Postkarte ein. Es war vor langer Zeit. Bis heute ist die Karte nicht beim Empfänger eingetroffen. Der Berlin City-Guide: „Nehmen Sie Ihre Postkarten lieber selber mit und bringen sie überall hin. Wenn Sie rechts eine Nummer ziehen, ist es nicht ganz so weit bis ans Ziel“, sagt der Postsprachautomat. Elli hat inzwischen eine andere Postkarte bekommen. Sie freut sich. Ein anderer Briefkasten hatte die andere Karte unerkannt entkommen lassen. Wie unterdessen bekannt wurde, ist die erste Postkarte nach der Berichterstattung in Obstkuve doch noch zugestellt worden.

Ein Briefkasten? Tot oder lebendig? Die Post kam nicht an.

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